пятница, 14 ноября 2014 г.

Absurdologie – ihre Erkenntniswurzeln und Zukunftsperspektiven

Dorten_Absurdologie

 Gorilla

Näheres über das Wesen der Absurdologie findet man in dem Traktate
Absurdologie oder die Rache des verwirrten Realisten

Gorilla

Angeregt zu nachfolgendem Aperçu wurde ich durch einen Spiegel-Artikel mit dem Titel

Sexuelle Gewalt als Geschäftsmodell

"Julien Blanc nennt sich "Pickup-Artist", prahlt damit, wie er angeblich Frauen zum Sex zwingt - und bietet für die Firma RSD Seminare an. RSD will jetzt in Deutschland aktiv werden. Politikerinnen wollen das verhindern."

♦♦♦

Mit dem Kommentar

"Endlich mal eine aus Amerika stammende Segnung, gegen die sogar der westliche Mainstream auf die Barrikaden geht. Interessant, wie lange er, der Mainstream, das wohl durchhalten wird. Irgendwann wird er das integrieren; mit etwas Phantasie iss det alles sicher auch mit dem Gender Mainstreaming kompatibel; und frisch voran…"

gab ich das weiter.

Und erfuhr zu meinem Erstaunen, daß es zu diesem Verfahren sogar Bücher gibt, und daß diese Bücher schon seit langem auch in Europa herumgeistern.

Seit Gender Mainstreaming mitsamt dem immer absurder werdenden Verhalten der westlichen Politiker und Journaille im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise, und so weiter und so fort – gibt es kaum noch eine Absurdität, die in merklichem Maße mein Erstaunen hervorrufen könnte. Aber ein klein wenig staunte ich doch.

Aus der Vogelperspektive als Einzelerscheinung betrachtet ist die Sache natürlich saukomisch; doch im Zusammenhang des ins Kraut schießenden allgemeinen normalen Wahnsinns wirkt es leicht beunruhigend

Vor diesem Hintergrund sei im Weiteren ein kurzer Ausblick auf die Zukunft der Absurdologie skizziert:

♦♦♦

Ich selbst wurde Absurdologe, weil es mich drängte, die Absurditäten, die mir in meiner Erziehung als Bestandteile einer einzig wahren Normalität serviert und eingebläut wurden und von denen ich zunächst nur rein gefühlsmäßig merkte, daß irgendwas nicht stimmt, in ihrem Sein zu durchschauen.

In den allerersten Anfängen war das außerordentlich schwierig, da der Unsinn doch sehr gut maskiert war und in meiner Umgebung als einzig mögliche Normalität galt.

Inzwischen bin ich weiter; für das heute aus seinen Löchern kriechende Absurditäts-Rattengezücht brauch ich keine mühsamen absurdologischen Untersuchungen mehr; da seh ich gleich auf dem ersten Blick, was los ist.

♦♦♦

Was nun aus den Generationen wird, die mit diesem als Wahrheiten getarnten Irrsinn aufwachsen – muß man sehen. Wir hatten es schwer; aber die werden es sicher noch schwerer haben.

Wer mit genügender Geistesstärke ausgestattet ist, wird vielleicht dank der überzüchteten Absurdität trotz der immer ungünstiger werdenden kulturellen und pädagogischen Situation es leichter haben mit der absurdologischen Klärung. Bloß werden das verstreute Einzelne sein, die kaum noch was ausrichten können und die man vermutlich als gemeingefährliche Wahnsinnige betrachten und behandeln wird.

Und die übrigen werden real wahnsinnig.

Nach und nach entwickelt sich eine Bevölkerung, die gar nicht mehr in der Lage sein wird, funktionierende soziale und wirtschaftliche Zusammenhänge zu schaffen.

Der Rückweg in die Steinzeit ist vorgezeichnet…

♦♦♦

So isses

Gorilla

среда, 17 сентября 2014 г.

Die xakrolingischen Könige

Xakrolinische_Koenige

Schimpanse

Auch wenn im Nachfolgenden die Rede geht von Königen, Feldherren und sonstigen gewichtigen Persönlichkeiten, so ist es trotzdem nicht politisch gemeint.

Von Politik brauch ich ein paar Tage Abstand.

Vielleicht sogar eine ganze Woche.

Sollte während dieser Zeit die Welt untergehen oder sonstwas Wichtiges passieren, so würde ich das auch so merken.

***

Auf die xakrolingischen Könige stieß ich beim Sichten meiner Textskizzen. In einer vorläufigen Version sind die, in Deutsch und auch in Russisch, sonstwo veröffentlicht. Aber das gefiel mir nicht. Und gefällt mir nicht.

Vor ein paar Monaten begann ich, den russischen Text weiter zu bearbeiten und der Sache eine interessantere Richtung zu geben.

Das gefällt mir nun schon besser. Aber es gibt noch viel zu tun.

Hab nun angefangen, die im Russischen angelegten Erweiterungen in den deutschen Text einzuarbeiten; doch vorher unterzog ich den inhaltlich unverändert bleibenden Anfang einer stilistischen Überarbeitung.

Das liest sich nun, auch wenn es nach weiterer Feinarbeit verlangt, schon ganz nett.

Der deutsche Anfang des umfassenden, größtenteils noch zu schreibenden Berichtes über die xakrolingischen Könige sei im Nachfolgenden wiedergegeben.

***

Das Verfassen höheren, veredelten Blödsinns reget die Lebensgeister an und gibt einem die nötige Kraft für den Kampf mit dem niederen unveredelten Alltagsblödsinn.

Tut gut. Echt!

Der Anfang der xakrolingischen Könige also:

Gorilla

Die xakrolingischen Könige

„Wenn du die Feinde besiegt hättest, wäre uns das alles erspart geblieben“, - sagte König Hürdogakh II zu seinem Feldherrn Kraxakh, nachdem sie, die kurze Abwesenheit des Wirtes nutzend, nach ausgiebigem Mittagessen ohne zu zahlen aus der Gastwirtschaft entwichen waren.

„Ich sagte dir doch, daß ich keine Feinde besiegen kann, wenn du vor der Entscheidungsschlacht meine Offiziere zu einem Bittgottesdienst abkommandierst...“ - Kraxakh schaute sich vorsichtig um; und nachdem er sich vergewissert hatte, daß niemand ihnen folgt, fuhr er fort: - „Ohne Offiziere wissen die Soldaten nicht, was sie tun sollen; und weil sie nicht wissen, was sie tun sollen, können sie nicht siegen und werden stattdessen selbst besiegt“

„Vielleicht ist es richtig, daß das so gekommen ist, und es war Gottes Wille, daß die Feinde das Land besetzten“, - murmelte Hürdogakh II nachdenklich. - „Das Essen in der Gastwirtschaft war schmackhafter als das Essen, das man uns bei Hofe zu servieren pflegte.“

„Dafür konnten wir es nicht bezahlen“ - antwortete Kraxakh.

Noch einmal wandte er sich vorsichtig um. Niemand folgte ihnen.

Doch schon an der nächsten Weggabelung wurden sie von zwei berittenen Gendarmen eingeholt und wegen Zechprellerei festgenommen. Die Gendarmen brachten sie zu dem Wirte, der sie aufforderte, die Zeche zu bezahlen sowie Entschädigung zu entrichten für den Schrecken und die Aufregung. Und auch den Gendarmen sollten sie das amtlich für Zechprellerei festgesetzte Bußgeld entrichten sowie den Aufwand vergüten, welchen der Staatsapparat ihretwegen hatte auf sich nehmen müssen.

Da sie aber all ihr Geld in dem nun von Feinden besetzten Reiche zurückgelassen hatten, konnten sie weder den Wirt bezahlen noch die Gendarmen; und schon wollten letztere sie mitnehmen, um sie ins Gefängnis zu werfen, als der Wirt, welcher Eduard hieß und keine Lust mehr hatte, selber zu kochen und zu servieren, ihnen vorschlug, die geschuldeten Beträge in seiner Gastwirtschaft abzuarbeiten. Die beiden fanden, daß es besser ist, in einer Gastwirtschaft zu arbeiten, als im Gefängnis zu darben, und nahmen den Vorschlag an. Der Wirt bezahlte die dem Staate geschuldete Summe aus eigener Tasche; die Gendarmen bestellten jeder noch ein Glas Bier und zogen dann vergnügt von dannen.

So wurde denn aus dem Feldherrn Kraxakh ein Koch, und aus König Hürdogakh II ein Kellner.

Eduard, der Wirt, begnügte sich fortan, Wirt zu sein und jeden Abend die Einnahmen zu kassieren; und so kam es, daß jenes Gasthaus, welches bislang gerühmt wurde wegen seiner hervorragenden Küche, alsbald schon berüchtigt war für seine ungenießbaren und schwer verdaulichen Speisen. Den Wirt störte das nicht; denn sein Etablissement war weit und breit das einzige an einer viel begangenen und viel befahrenen Straße, und er fand zu Recht, daß jemand, der wirklich Hunger hat, notgedrungen mit den von Kraxakh zubereiteten Speisen vorliebnimmt, ganz egal, wie übel sie schmecken und wie schwer verdaulich sie sind.

Doch mit der Zeit wurde ihm langweilig, nur Wirt zu sein; und da ihm keine bessere Beschäftigung einfiel, machte er sich daran, Kraxakh das Kochen beizubringen. Was zu dem unerwarteten Ergebnisse führte, daß Kraxakh unter solch kompetenter Anleitung in glühender Begeisterung für die Kochkunst entbrannte und schon nach kürzester Zeit seinen Lehrmeister an Können überflügelte. Der Wirt, dessen Tätigkeit als Lehrmeister durch die explosionsartige Entwicklung seines Schülers plötzlich überflüssig wurde und der schon wieder nichts Rechtes mehr zu tun hatte, verfiel nun auf den Gedanken, seine Zeit mit dem Aufsuchen und Aufkaufen von Lebensmitteln, Gewürzen und sonstigen Zutaten auszufüllen; und durch solches Zusammenwirken des zum Aufkäufer gewandelten Kochs mit dem zum Koch gewandelten Feldherrn war der einstige gute Ruf der Gaststätte alsbald wieder hergestellt und kurz darauf sogar überflügelt. Kraxakh fand, daß es interessanter ist, als Koch zu arbeiten bei einem Wirt, der einen mit den nötigen Zutaten versorgt, denn als Feldherr bei einem König, der einem die Armeeführung durcheinanderbringt, und wurde von Tag zu Tag besser.

Was Hürdogakh II betrifft, so war der nicht schlechter als andere Kellner, aber auch nicht besser. Gewissenhaft schrieb er alles auf, was die Gäste bestellten, ließ nie ein Tablett fallen, war immer freundlich zu den Gästen, und wo es angebracht war, lächelte er. In seinem Herzen aber war er unzufrieden. Er haderte mit seinem ehemaligen Feldherrn Kraxakh, der die Feinde nicht besiegt hatte, und vor allem haderte er mit seinem Gotte, der trotz des Bittgottesdienstes und trotz seiner Allmacht es zugelassen hatte, daß man ihn seines Thrones beraubte.

Gorilla

Im weiteren laufen dann im näheren und ferneren Umfeld jenes Xakrolingien mit seinen in wirrem Stakkato einander abwechselnden Königen sowie der Gastwirtschaft des Wirtes Eduard die wildesten Dinge ab, die fast schon so verrückt sind wie unsere Wirklichkeit. Sogar bis ins ferne Afrika, wo eine Nichte eines ehemaligen xakrolingischen Ministers einen Kannibalenstamm zum Veganismus bekehrt, sind die Auswirkungen all dieser Verrücktheiten zu spüren.

***

Stellt sich nur die Frage, ob ich das jemals in ausgearbeiteter Form zu Ende bringe.

Keine Ahnung.

 

Schimpanse

среда, 10 сентября 2014 г.

Sokrates und der Dackel

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(Leider fand ich in meinen Beständen kein selbstgeknipstes Dackelfoto.
Aber es gibt ja auch noch andere Tiere)

Manche Zeitgenossen schreiben Gedichte, wenn sie in poetischer Stimmung sind oder wenn sie die Notwendigkeit sehen, ihr Dichtertum unter Beweis zu stellen.

Bei mir ist das anders.

Da ich kein Dichter bin, fällt die Notwendigkeit, mein Dichtertum unter Beweis zu stellen, von vornherein unter den Tisch. Gedichte schreib ich, wenn ich in wurschtiger Stimmung bin oder aber in Blödelstimmung; wobei es zwischen beiden Stimmungen fließende Übergänge gibt.

Gestern schrieb ich ein Gedicht über Sokrates.

Des Daseins Rätsel
in tiefem Ernste bewegend
stolperte Sokrates einstens beim Gehen
über einen Dackel.

Und fiel hin.

Der Dackel bellte
und eilte davon.

Dieses Gedicht veröffentlichte ich auf Facebook; und sogleich ergab sich ein Streitgespräch zwischen mir und meinem Freund Ernst Tirckl-Wolff.

Da selbiges Streitgespräch mir von öffentlichem Interesse scheint, sei es an dieser Stelle der holden Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Ernst Tirckl- Wolff: Gab es zu Sokrates' Zeiten denn schon Dackel?

***

Raymond Zoller: Wenn er über einen solchen stolperte, wird es sie wohl gegeben haben

***

(jemand anders warf ein, daß Dackel damals sicher noch wilde Tiere waren, die weit entfernt vom Menschen lebten)

***

Raymond Zoller: Ob Dackel damals gefährlich waren, weiß ich nicht. Aber auch ein heutiger wütender Dackel kann ganz schön unangenehm werden.

***

Ernst Tirckl-Wolff: Sicher scheuten sie auch damals nicht die Menschenansammlungen. Wenn du, zum Beispiel, liest, was der Plato alles so geschrieben hat, so wird deutlich, daß der Sokrates dauernd irgendwelches Volks um sich herum versammelt hatte. Daß er alleine da herumlief und alleine über einen Dackel stolpern konnte war sicher eine Ausnahme.

***

Raymond Zoller: Versteh ich nicht. Sokrates war doch kein Dackel?

***

Ernst Tirckl-Wolff: Warum sollte Sokrates ein Dackel sein?

***

Raymond Zoller: Du leitest deine Darlegung ein mit der Feststellung, daß Dackel auch damals nicht die Menschenansammlungen scheuten. Doch statt selbige Darlegung durch Argumente zu untermauern, führest du Beweise an, daß Sokrates die Menschenansammlungen nicht scheute. Solches Vorgehen legt die Vermutung nahe, daß du ihn als Dackel betrachtest

***

Ernst Tirckl-Wolff: Aber ich betrachte Sokrates nicht als Dackel. Du mußt einen Schritt weiter denken: Indem ich nämlich darlege, daß Sokrates die Menschenansammlungen nicht scheute und sich in deren Nähe aufzuhalten bzw. sich mit solchen zu umgeben pflegte, so implizieret das doch, daß auch der Dackel, über den er ja stolperte, die Menschenansammlungen nicht scheuet, alsda er sich anders nämlich ferngehalten hätte, und Sokrates hätte nicht über ihn stolpern können.

***

Raymond Zoller: Verstehe... Bin wohl noch nicht ganz wach

***

Ernst Tirckl-Wolff: Trinke einen Espresso, und alles wird gut

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воскресенье, 10 августа 2014 г.

Wie ich ein Gedicht schrieb

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(Da es sich um ein poetisches Thema handelt,
sei ein poetisches Titelbild gestattet)

♦♦♦

Unseren hochachtbaren Schriftstellern und Schriftstellerinnen, Dichtern und Dichterinnen sei von vornherein Entwarnung gegeben: Weder Schriftsteller bin ich noch Dichter und bilde somit keinerlei Gefahr als potentielle Konkurrenz. Gestatte mir einfach, ab und zu ein Gedicht zu schreiben; einfach so; als Privatperson.

Darf man doch; oder?

Im Weiteren eine meiner neuesten Schöpfungen mitsamt ausführlich dargelegter Entstehungsgeschichte sowie Unter- und Hintergründe.

♦♦♦

Was suchst du

gebrochene Bretter im Kühlschrank?

Im Kühlschrank ist nur Marmelade.

♦♦♦

Die tieferen Untergründe des Werkes sind schnell dargelegt:

Ich hatte den Eindruck, daß es mal wieder an der Zeit ist, ein Gedicht zu schreiben. Also schrieb ich ein Gedicht.

Aus diffuser Lautsuppe bildeten sich – wie beim Urknall die Planeten mit ihren weisheitsvoll aufeinander abgestimmten Bahnen – einzelne rhythmisch und lautlich gefällig aufeinander abgestimmte Wörter heraus, die ich im Hinblick auf einen möglichst unsinnigen inhaltlichen Sinn etwas formte; und schon war die Weltliteratur um ein neues Werk bereichert. Die Folge br-br-schr in der zweiten Zeile finde ich sehr ästhetisch; die Frage, wie jemand auf den Gedanken kommen kann, gebrochene Bretter in einem Kühlschrank zu suchen, und wozu man überhaupt so dringend gebrochene Bretter brauchen könnte (schon wieder dieses herrliche 'br', sogar verstärkt durch ein 'dr', in 'dringend gebrochene Bretter brauchen') regt auf gefälligste Weise die Phantasie an; причём bei jedem auf jeweils eigene Weise; und die lapidare Feststellung, daß im Kühlschrank – statt gebrochener Bretter – nur Marmelade zu finden ist bringt das Ganze zu einem würdigen Abschlusse.

Понятно?

♦♦♦

So isses.

пятница, 18 июля 2014 г.

Moskauer Fahrkartenkontrolleure

Trolleybus

In Deutsch: Dürfen Fahrkartenkontrolleure erwischte Schwarzfahrer durchsuchen?

♣♣♣

Das Weltgeschehen wird von Tag zu Tag absurder und auch blutiger.

Absurd auch, mit welcher fanatischer Bereitwilligkeit der Großteil des westlichen Publikums jeden Quatsch, den seine Politiker und Massenmedien ihm liefern, zu schlucken pflegt und sich in einem merkwürdig dumpfen realitätsabweisenden Behagen einigelt.

Ja nu: sollen sie.

Wollte, glaub ich, von weniger Besorniserregendem berichten.

Wo waren wir stehen geblieben?

Ach so, ja.

An manchen Tagen gestatte ich mir, mir alles egal sein zu lassen. Überflieg die Nachrichten, weil es anders nicht geht, und weiche aus auf Nebensächlichkeiten.

♦♦♦

Auf einer russischen Nachrichtenseite sah ich – offenbar in Verbindung mit irgendeinem Zwischenfall – als Schlagzeile die Frage: ob ein Fahrkartenkontrolleur einen erwischten Schwarzfahrer durchsuchen darf.

Prompt fielen mir drei Erlebnisse ein mit Moskauer Fahrkartenkontrolleuren; alle aus den neunziger Jahren:

***

Das erste: Zwei Fahrkartenkontrolleure betreten den Bus und laufen eilig die Sitzreihe entlang. Bei jedem Sitz rezitieren sie ihr "билеты, пожалуйста", "die Fahrkarten bitte", und eilen weiter. Ich greif in die Tasche nach meiner Fahrkarte; und schon sind sie heran. "Билет, пожалуйста". Kurz geguckt, und weiter zum nächsten. Meine Fahrkarte haben sie nicht gesehen; konnten sie gar nicht, da ich sie noch nicht hervorgeholt hatte. Aber sie taten, als ob sie gucken.

Im Nu waren sie durch und stiegen an der nächsten Haltestelle aus.

Stachanowismus nannte man das, glaub ich, zu Sowjetzeiten.

***

Das zweite: Der Bus hielt an einer roten Ampel. Die Ampel schaltete auf Grün; doch der Bus fuhr nicht weiter. Blieb einfach stehen. Über Lautsprecher verkündete der Fahrer, daß an der Haltestelle hinter der Kreuzung Kontrolleure warten; wer keine Fahrkarte hat, soll jetzt besser eine kaufen oder aussteigen.

Einige gingen nach vorn und kauften; jemand stieg aus.

Der Bus fuhr weiter; und hinter der Kreuzung stiegen tatsächlich Kontrolleure ein. Stockbesoffen waren die. Mit der Umständlichkeit von Besoffenen schauten sie sich jede einzelne Fahrkarte genau an; und als sie alle kontrolliert hatten, stiegen sie aus.

Als sie weg waren, sagte der Fahrer über Lautsprecher, daß die schon den ganzen Tag in jenem Bezirk herummachen und sich während der Arbeit vollaufen lassen.

***

Das dritte: Zwei Kontrolleure erwischten eine junge Frau, die ohne Fahrkarte unterwegs war. Sie saß direkt hinter mir; so daß ich das sich entwickelnde Gespräch in allen Einzelheiten mitbekam. Die Kontrolleure gaben zu verstehen, daß sie gegen eine kleine Gegenleistung gerne bereit sind, die Schwarzfahrt zu vergessen; die junge Frau war nicht abgeneigt, und zu dritt verließen sie den Bus.

Diese dritte Episode inspirierte mich mit einiger Verspätung zu der Erzählung "Die Schwarzfahrerin" (in der natürlich alles viel komplizierter ist und sich auch ganz anders entwickelt)

♦♦♦

Rußland halt. Wo jeder lockere Quatsch möglich iss, aber – sogar bei der heutigen weltweiten Idiotie – auch positive Entwicklungen nicht auszuschließen sind.

Im Gegensatz zu der westlichen Situation; da ist alles zu verkrustet und festgefahren, als daß irgendwelches Menschliche sich noch seinen Weg bahnen könnte.

Und selbst der Unsinn wird nach und nach verstaatlicht.

Hoff nur, dass der Westen Russland nicht in seine verkrustenden Moräste mit hineinzieht.

Nur um zu sagen.

Selbst am Quatsch kann man sich nicht mehr ungezwungen erfreuen.

Iss aber egal.

***

So isses.

четверг, 26 июня 2014 г.

Absurdologie oder die Rache des verwirrten Realisten

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♦♦♦

Von Rußland sagt man, es sei nicht mit dem Verstand zu begreifen, sondern nur mit dem Herzen.

Mag sein.

Doch geht es mir jetzt nicht um Rußland, sondern um Europa, in dessen Gefilden ich aufgewachsen bin und wo ich staunend-ratlos so manches Jahr umherwanderte.

Europa ist, wie ich inzwischen verstehe, weder mit dem Verstand zu begreifen noch mit dem Herzen: das ist Absurdität pur.

So richtig deutlich wurde mir das Maß der Absurdität während der Rußland-Ukraine-Krise.

Doch egal.

♦♦♦

Schon als Kind hatte ich große Probleme, mich in meiner mir fremd bleibenden Umgebung zurechtzufinden. Hat man als Kind ja fast immer; besonders dann, wenn man keine rechte Hilfe hat, sich in diese komische Welt hineinzufinden.

Die Leute sagen das eine, meinen was anderes, und verstehen weder das, was sie sagen, noch das, was sie meinen.

Heute kann ich det so in einfachen, klaren Begriffen dahinschreiben. Als Kind konnte ich das nicht; da spürte ich nur, daß dem so ist.

Und mit diesem hilflosen Gespür, daß da hinten und vorne nix stimmt und alles verquer ist, wuchs ich auf.

Später bezeichnete ich die Weltanschauung, die meine Kindheit und frühe Jugend prägte, als "verwirrten Realismus" (‘Realismus’ im Sinne des Begriffsrealismus).

Rückblickend verstehe ich nämlich, wie ich eine gewisse instinktive Affinität hatte zu gedanklichem Zusammenhang, Sinn, Klarheit; und damit konnte ich inmitten dieses Wirrwarrs nun mal nicht viel anfangen.

Wodurch ich teilweise noch verwirrter wurde als meine Umgebung.

Als ich dann anfing, das Wirrwarr als solches deutlicher auszumachen und den Nebeln eine gewisse Klarheit entgegenzusetzen, und sogar das Wirrwarr und die nach und nach deutlicher werdende Absurdität in verrückten Erzählungen willkürlich auf die Spitze zu treiben – da bezeichnete ich intern, für mich selbst, das Verfassen solcher Erzählungen als "Rache des verwirrten Realisten".

***

Als alles dann noch deutlicher wurde und griffiger und in mein Orientierungsbemühen sogar so etwas wie System hineinkam, bezeichnete ich dieses Orientierungsbemühen, welches sich von einem unbestimmten Gespür, 'daß irgendwas nicht stimmt' allmählich hinbewegt zu einem klaren Erfassen dessen, 'was nicht stimmt', als "Studium der Phänomenologie des geistig-seelischen Erstickens."

vchod_dUnd da ich mich mit diesem Studium der "Phänomenologie des geistig-seelischen Erstickens" so völlig alleine sah, dachte ich an die Schaffung einer Art Zeitschrift, welche eine Plattform hätte abgeben sollen für einen Austausch zu diesem Studium.

Zu einem solchen Austausch kam es nie; aber die Folgen dieser frommen Absichten sind heute als "Klamurke" online; wer will findet dort näheres.

In gewisser Hinsicht halt: Auseinandersetzung mit dem europäischen Geiste, den man weder mit dem Verstande begreifen kann noch mit dem Herzen .

♦♦♦

Die Absurdologie als Wissenschaft kam dank Facebook zustande. Der Sache nach existiert sie natürlich schon länger; als Mindestes so lange, seit es das Studium der Phänomenologie des geistig-seelischen Erstickens gibt.

***

Wie jeder anständige Zeitgenosse mit Internetanschluß verfüge ich über ein Facebook-Konto. Jemand hatte mich, schon vor längerem, dortselbsthin eingeladen; ich benutze das seitdem als ausgelagertes Notizbuch, zum Gedankenaustausch, und gelegentlich auch zum Herumblödeln.

Doch egal.

Irgendwann fiel mir bei Facebook der Trend auf, daß unzähliges Volks vor ihren Namen die Bezeichnung "Autor" oder "Schriftsteller" oder sonstwas in der Richtung setzten.

Da wollte ich denn auch jemand sein; und da ich kein Schriftsteller bin, nannte ich mich "Absurdologe".

Also entstand, als Bezeichnung, die Absurdologie.

Dem Wesen nach gibt es sie, wie gesagt, schon länger.

Vor kurzem entfernte ich den Absurdologen wieder; was natürlich nicht bedeutet, daß ich damit aufhören würde, Absurdologe zu sein.

Absurdologe bin ich und bleib ich.

Als Etikett für ein fixiertes Berufsbild gibt es das ja zum Glück noch nicht; und auch an den Universitäten ist es, so weit ich weiß, noch nicht als Studienfach anerkannt, und man kann kein staatlich anerkanntes Diplom erwerben, welches einen als studierten Absurdologen ausweisen würde.

Vielleicht gibt es irgendwann mal den Dr.abs.; ja nu; dann muß ich mir halt wieder was Neues einfallen lassen.

Irgendeine Bezeichnung für ein reales Tun hat man leicht geschaffen; fixierte Namen für irreales oder nichtvorhandenes Tun zu benutzen überlassen wir gerne denjenigen, die es nötig haben.

♦♦♦

So isses.

Doppelnas

Nachtrag

Ein paar Ergänzungen, die während einer durch diese Veröffentlichung ausgelösten Unterhaltung zustandekamen

♦♦♦

Im eigentlichen Sinne "nachgedacht" hab ich als Kleinkind auch nicht; da spürte ich nur, daß irgendwas nicht stimmt.

Zunächst fand ich mich damit ab, daß die Unstimmigkeit ein normaler, integrer Bestandteil der Erwachsenenwelt und somit unseres Daseins ist (da für ein Kind die Erwachsenen ja immer Recht haben). Mit meiner inzwischen zum Glück entwickelten Fähigkeit, die Dinge gedanklich zu durchdringen, kann ich aber manches von dem, was ich damals empfand, rückblickend "auf den Begriff bringen".

Zum Beispiel gab es einen Fall, da meine Mutter verkündete, zum Mittagessen gebe es Kalbfleisch. Ich fragte nach: Kalbfleisch? Vom Schwein? – Das hat damals alle, die es hörten, sehr amüsiert, und noch lange geisterte diese meine Äußerung als geflügeltes Zitat unter meinen Verwandten herum. – Auch ich kann mich daran erinnern, und kann, mit meiner heutigen "Gedankensprache", auch darstellen, wo das herkam: Nämlich war ich in höchstem Maße von der Einsicht durchdrungen, daß Ungereimtheit ein integrer Bestandteil der Erwachsenenwelt ist; und da schien es mir völlig undenkbar, daß etwas, was man "Kalbfleisch" nennt, tatsächlich vom Kalb kommen könnte.

Flüchtige Ansätze hilfloser gedanklicher Reflexion kamen später; so ab zehn.

♦♦♦

Selbst bin ich eher antitheoretisch. Reine Theorie interessiert mich nicht nur nicht, sondern stößt mich ab; manchmal find ich sie auch bloß komisch. Bin nur bemüht, mich verstehend in die Realität einzuleben; und damit das so halbwegs funktioniert, mußte ich erst, zumindest bis zu einem gewissen Grad, das ganze Wirrwarr ordnen, mit dem ich aufgewachsen bin.

Hab halt eine bestimmte Art, die Realitäten, mit denen ich mich auseinandersetze (wieauch die Auseinandersetzung selbst), sprachlich zum Ausdruck zu bringen; und das mag manchmal theoretisch klingen, aber es ist nicht theoretisch gemeint. Einfach, wenn man so sagen will, Verbalisierung eines eminent praktischen Orientierungsbemühens.

Früher, als ich noch stärker in dem anerzogenen Wirrwarr drin steckte, konnte ich das auch nicht so, wie ich das jetzt kann. Solche Ansätze gedanklicher und sprachlicher Klarheit sind, glaub ich, nicht unbedingt eine "angeborene" Fähigkeit, sondern eher eine natürliche Begleiterscheinung innerer Befreiung.

"Intelligent" bin ich sicher nicht; eher dumm. Will auch gar nicht intelligent sein; was soll ich damit? Angeben? Interessiert mich nicht.

♦♦♦

(Siehe auch "Warum ich so dumm bin")

 

Caesar

четверг, 29 мая 2014 г.

Von unbekannten Ämtern

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Mich durch das irre Weltgeschehen so weit als möglich nicht beirren lassend, sichte und bearbeite ich weiterhin halbvergessene deutsche und russische Skizzen und Notizen und kümmere mich um die umständehalber etwas schleppend vorangehenden Verlagsangelegenheiten.

Nachfolgend eine zufällig herausgegriffene den Nebeln des Vergessenseins entrissene Skizze; ganz ohne Marsmenschen und überlange Sätze, aber dafür ganz realistisch über unbekannte unverständliche Ämter.

An einem dieser lauen Maienabende rief Aita bei mir an und fragte, ob ich sie ins FKDH begleiten könne. Das FKDH sei ein Amt; man habe ihr eine Vorladung geschickt, und sie müsse am kommenden Tag dort vorsprechen.

Was das FKDH ist – wußte ich nicht; den Namen hörte ich zum ersten Mal. Aber warum soll es ein Amt namens FKDH nicht geben. Es gibt viele Ämter auf der Welt, und alle kann man sie nicht kennen; besonders wenn man so ämterallergisch ist wie ich.

Doch was immer es auch sein mag – mir war es recht, Aita dorthin begleiten zu dürfen. Zwei Tage vorher hatten wir uns auf der Geburtstagsfeier von Hürgokh kennengelernt. Nach angeregter Unterhaltung hatte ich ihre Telefonnummer aufgeschrieben und sie die meine; und nun suchte ich krampfhaft nach einem Vorwand, sie anzurufen. Sie gefiel mir außerordentlich gut; und da sie mir außerordentlich gut gefiel, war ich viel zu schüchtern, als daß ich mich getraut hätte, mich ohne vernünftig klingenden Grund bei ihr zu melden.

Auch Aita wußte nicht, was das FKDH ist. Da sie aber vor allem Amtlichem, wie sie sagte, furchtbare Angst hat und der Ansicht ist, daß ich vor nichts Angst habe, wolle sie nicht alleine hingehen, sondern lieber in meiner Begleitung.

Tatsächlich habe ich vor nichts Angst. Genauer gesagt: vor fast nichts. Als vor drei Wochen in unserem Zoo ein Löwe ausbrach, war ich zufällig zugegen. Ich trat zu dem Löwen hin und brüllte ihn an, er soll sich anständig benehmen und in seinen Käfig zurückkehren. Der Löwe guckte erstaunt, zog den Schwanz bei und tat, wie ihm geheißen. Dies hat alle, die es sahen, sehr beeindruckt. Mich nicht. Denn für mich ist ein Löwe ein verhältnismäßig übersichtliches Wesen, mit dem man, wenn man den rechten Zugriff und den rechten Ton findet, irgendwie zurechtkommen kann. Was man von Ämtern und Beamten nicht sagen kann; weswegen ich vor selbigen doch eher Angst habe.

Daß auch ich Angst habe vor allem Amtlichen sagte ich ihr nicht; ich sagte ihr nur, daß ich sie gerne begleite.

Am anderen Morgen trafen wir uns Punkt zehn im Eiscafé Laurinius, wo ich mir, espressotrinkend, das Schreiben vom FKDH anschaute. Es sah sehr amtlich aus, mit vielen Wappen und Stempeln; und in gewundener Amtssprache stand da geschrieben, daß die Empfängerin, Aita Iobiono, am 13. Mai um 11 Uhr zwecks Klärung anstehender Angelegenheiten im FKDH, Raum Nummro 275, vorzusprechen hat, und daß im Falle von Nichterscheinen ihr Fall an die entsprechenden Stellen weitergeleitet würde.

Aita wußte noch immer nicht, was das FKDH für ein Amt ist, um was für einen Fall es sich in ihrem Falle handelt, und welche Angelegenheiten warum der Klärung bedürfen. Nicht einmal versucht hatte sie, das herauszufinden; und sie meinte, sie wolle sich überraschen lassen.

Ein Taxi brachte uns zur angegebenen Adresse. Weitab vom Stadtzentrum war das; ein zwischen zwei Querstraßen eingezwängter sehr kleiner eingeschossiger Flachdachbau, die fensterlose Wand zur Hauptstraße hin mit einer massiven, wohl verarbeiteten Holztür. Der Taxifahrer wußte nicht, daß sich unter der angegebenen Adresse eine Behörde mit der Bezeichnung FKDH befinden sollte, und wußte mit dem Namen genau so wenig anzufangen wie ich. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite liefen auf einer Parkanlage ein paar Arbeiter mit knatternden Rasenmähern herum, die, wie sich herausstellte, auch nicht wußten, daß sich in ihrer unmittelbaren Nähe das FKDH befinden soll.

Aber offenbar hatte alles seine Richtigkeit. Neben der Tür prangten auf goldglänzendem Untergrund in schwarzer Schrift die Buchstaben FKDH, und darunter war ein roter Klingelknopf. Sonst nichts.

Nach Betätigen des Klingelknopfes summte der Türöffner. Gegenüber der Tür, am Ende eines kurzen schummrig beleuchteten Ganges, war ein Schalter, auf der linken Seite des Gangs eine Türöffnung.

Hinter dem Schalterfenster war niemand zu sehen. Nach Drücken eines Klingelknopfes in der rechten unteren Ecke erschien eine ältere Dame in Uniform. Aita schob ihr die Vorladung zu. Die Dame setzte eine Brille auf, schaute sich das Schreiben an. - „Raum 275“, sagte sie streng. „Ihren Ausweis bitte!“ - Aita fingerte ihren Ausweis aus ihrer Handtasche; die Dame nahm ihn in Empfang, schaute kurz hinein und legte ihn in eine Ablage hinter ihrem Schreibtisch. Dann schrieb sie etwas in ein Formular, welches sie Aita zusammen mit der Vorladung zuschob. „Zur Vorabklärung im Zimmer 32 vorsprechen; drittes Untergeschoß." Dann schaute sie auf mich: „Und Sie?“ – „Ich begleite die Dame“, antwortete ich und zückte meinen Ausweis. – „In Ordnung“, nickte sie. Mein Ausweis interessierte sie nicht.

Die Tür zur Linken führte, wie sich herausstellte, in einen Lift.

„Merkwürdig“, murmelte ich, als wir im Lift alleine waren. Aita zuckte die Achseln. Besonders beunruhigt wirkte sie nicht. - „Bin gespannt, was die von dir wollen...“ fuhr ich fort, als wir kurz darauf in dem schummrig beleuchteten Gang, der uns nach Verlassen des Lifts empfing, nach dem Zimmer Nummro 32 Ausschau hielten. - „Ich auch, “ lächelte Aita unbekümmert.

'Vielleicht tat sie nur so, als hätte sie Angst vor Ämtern', - dachte ich. 'Vielleicht suchte sie einen Vorwand, daß ich sie begleite? Wenn das so wäre, wäre es natürlich angenehm... Doch hätte sich sicher ein besserer Vorwand finden lassen als ein Amtsbesuch...'

Und dann standen wir vor einer lederbeschlagenen Tür, auf der die Zahl 32 glänzte. Rechts davon war eine Klingel mit der Aufschrift Krüggelmeier; was die Vermutung nahelegte, daß in diesem Büro 32 ein Herr Krüggelmeier residiert.

Ich drückte den Klingelknopf; und sofort ging, wie von Geisterhand, die Tür auf.

An einem riesigen Schreibtisch saß ein älterer, etwas beleibter Herr mit Glatze. Die Hände über einer vor ihm liegenden Computertastatur, schaute er konzentriert auf einen seitlich stehenden Flachbildschirm.

"Die Vorgeladene Aita Iobiono?" fragte er, ohne uns anzuschauen.

"Ja", antwortete Aita.

"Mit Begleitung?"

"Ja", antwortete ich.

"Bitte treten Sie ein."

Wir traten ein. Noch immer schaute er uns nicht an; seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Bildschirm.

Er griff nach der Maus. Klickte. Hinter uns ertönte das Knacken der ins Schloß fallenden Tür.

Der Herr wandte sich ab von seinem Computerschirm und lächelte uns freundlich an.

"Sie sind für Zelle 275?" fragte er.

"Zelle?" fragte Aiolla verwundert. Sie schaute auf die Vorladung. "Hier steht Raum Nummer 275."

"Der Raum ist eine Zelle", lächelte der Herr. "Sie werden eingesperrt."

"Eingesperrt? Wieso eingesperrt?"

Mich wunderte, wie ruhig sie blieb.

"Nicht für lange", antwortete der Herr beschwichtigend. "Eine Woche, vielleicht auch ein paar Tage darüber. Aber nicht viel."

Ich verstand überhaupt nichts und beschloß, mich nicht einzumischen.

"Ich bin mir keiner Schuld bewußt", sagte Aita.

"Schuld? Wer spricht denn hier von Schuld?"

"Aber es muß doch einen Grund dafür geben, daß man mich einsperrt?"

"Natürlich gibt es einen Grund; bei uns geschieht nichts ohne Grund. Ein Grund liegt immer vor."

"Doch was für ein Grund?"

"Den werden meine Kollegen Ihnen erklären. Ich bin nur für den Empfang zuständig."

"Und Sie meinen, das geht maximal eine Woche?"

"Oder noch ein paar Tage drüber. Vielleicht auch zwei Wochen. Aber mehr als zwei Wochen auf keinen Fall."

"Und Näheres können Sie mir nicht mitteilen?"

"Näheres ist mir nicht bekannt."

"Und was wird sein, wenn die zwei Wochen vorbei sind?"

"Oder eine Woche oder noch ein paar Tage darüber."

"Was wird dann sein?"

"Das weiß ich nicht."

"Und jetzt werden Sie mich einsperren?"

"Ja. Jetzt werden wir Sie einsperren."

"Immerhin etwas, was klar ist", lächelte Aita.

"Können sie mir Ihre Vorladung zeigen?"

"Gerne." Aita trat nach vorne und legte die beiden Blätter vor den Herrn auf den Tisch.

Ich sah mich derweil um. In der rechten Wand gab es zwei Türöffnungen, eine mit rotem Vorhang, die andere mit grünem. Und in der linken Wand, genau in der Mitte, eine Tür. Außer dem Schreibtisch mit dem Computer und dem beleibten Herrn war das Zimmer leer.

Der Herr schaute sich die Blätter an, tippte auf der Tastatur herum, und zwischendurch klickte er mit der Maus.

Wie jeder andere auch, der an einem Computer sitzt.

Schließlich legte er die beiden Blätter, eins nach dem andern, in einen Scanner, lochte sie anschließend mit einem altertümlichen Locher, und tat sie in ein gelbes Schnellheft, das er von irgendwo hervorholte.

Dann faltete er die Hände über der Tastatur, schaute uns an und sagte:

„Darf ich Sie nun dort hineinbitten, hinter den roten Vorhang?“

"Und was soll ich dort tun, hinter diesem roten Vorhang?" – fragte Aita.

"Warten, bis man sich um Sie kümmert", antwortete der Herr.

"Gut, ich werde warten", sagte Aita und schlenderte gemächlich Richtung Vorhang.

„Sie nicht, nur die Dame“, wehrte der Herr ab, als ich Anstalten machte, ihr zu folgen.

Aita wandte sich kurz um: "Bis später."

"Bis später", antwortete ich. Aber da war sie schon hinter dem Vorhang verschwunden.

Die Vermutung lag nah, daß sie genau so wenig verstand wie ich; aber sie wirkte locker und schien sich keine Sorgen zu machen.

Ich selbst war verkrampft und verwirrt.

Nur der Anfang; der Rest muß noch ausgearbeitet werden; und das ist sehr viel.

Und in Anbetracht meiner Überempflndlichkeit für stilistische Belange muß ich vermuten, daß auch der hier veröffentlichte Anfang nicht umhin kommen wird, sich noch weitere Bearbeitung gefallen zu lassen

Verrücktes Zeugs eigentlich; aber im Vergleich zu unserer heutigen Realität trotzdem harmlos.

Nachtrag ein paar Tage nach Veröffentlichung:

Jemand fragte mich, unter anderem, ob das auf einer wahren Begebenheit beruht.

Meine Antwort:

♦♦♦

Keine Spur von wahrer Begebenheit; nur, mit entsprechenden Übertreibungen, rein phantastische künstlerische Verarbeitung wesentlicher Züge verstreuter Begebenheiten, die mir zu Ohren gekommen sind.

Was die Löwen betrifft, so hatte ich mit solchen bis jetzt noch keinen direkten Kontakt; höchstens mit bissigen Hunden. Wenn ich in Form bin, hab ich vor denen keine Angst; die spüren das und nehmen sich ihrerseits vor mir in Acht, oder, wenn ich gut gelaunt bin, werden ganz friedlich. Auch ein Erlebnis mit zwei menschlichen Wesen hatte ich, die es in einer menschenleeren Ecke offensichtlich auf mein Gepäck abgesehen hatten und, zum Glück, nicht bewaffnet waren. Ich wußte, daß ich stärker bin als die beiden; daß ich höchstens Gefahr laufe, daß, während ich den einen fertig mache, der andere mit meinem Koffer abhaut; und blieb völlig ruhig. Die beiden spürten das, wurden plötzlich ganz zahm und zeigten mir sogar den Weg.

Dies bezüglich Erfahrungshintergrund mit den Löwen, das heißt bezüglich Situationen, in denen man den Überblick hat und infolgedessen sinnvoll handeln kann. Was ja bei dem organisierten Wahnsinn unserer Zeit weniger der Fall ist.

Ist natürlich alles phantastisch aufgebauscht; und im Weiteren wird das dann so verrückt und phantastisch, daß ich dir – sollte es mal erscheinen – dringend davon abraten würde, es zu lesen

вторник, 20 мая 2014 г.

Geist und Sattheit

(unter diesem Titel veröffentlichte ich, wie mir einfällt, vor vielen Jahren meinen allerersten, unter vielen Mühen zustandegekommenen Zeitschriftenaufsatz: ein allererstes anfängliches Sichhineintasten in die Bewußtmachung einer Thematik, in der ich mich inzwischen ohne die damaligen Mühen schon viel besser orientiere und der auch dieser Beitrag gewidmet ist)

Ereignis

Wieso ausgerechnet dieses Bildnis? - Keine Ahnung.
Aber der erstaunt dreinblickende Marsmensch in der Mitte gefällt mir gar sehr.

Beim Überfliegen von Facebook fiel mein Blick auf eine dieser typischen sentimentalen Facebook-Textgraphiken, die ich normalerweise unbeachtet links liegen lasse. Vielleicht, weil das Ding von einer Bekannten veröffentlicht war, die normalerweise durch Humor und klare Sachlichkeit auffällt, und die es vielleicht auch nur deswegen veröffentlicht oder – wie das auf facebookianisch heißt: geteilt – hatte, weil der Inhalt sie angesprochen hatte.

Der Text lautete:

"Die einsamsten Menschen sind die freundlichsten. Die traurigsten Menschen lächeln am schönsten. Die Menschen mit den größten Problemen sind am verständnisvollsten. All das, weil sie sich wünschen, daß niemand so leidet wie sie selbst."

Natürlich reinstes Schmalz; und die im letzten Satz Verallgemeinerte kann man sowieso nicht leichthin verallgemeinern (zum Beispiel erinnere ich mich an zwei Leute aus meinem Bekanntenkreis, die – nicht, weil sie von ihren Fähigkeiten her in die normale Schule nicht reingepaßt hätten, sondern weil sie aus sogenannten 'asozialen Verhältnissen' stammten – auf der Sonderschule landeten und insgesamt eine vermurxte Jugend hatten. Beide hatten sich hochgearbeitet und waren in sozialen Berufen tätig. Wobei der eine nach Kräften bemüht war, den Leuten aus seinem Umfeld das, was er selbst durchgemacht hatte, zu ersparen, und der andere: sich an aller Welt für das erlittene Ungemach zu rächen); die Menschen sind nun mal, in Freud wie im Leid, verschieden.

Wie dem auch sei:

Das Thema erweckte spontan mein Interesse, und ich tippte einen kurzen Kommentar; im weiteren gab es ein leichtes Hin und Her, das mich zu weiteren Ausführungen anregte; und diese Ausführungen seien nun, unwesentlich überarbeitet und zu einem mehr oder weniger einheitlichen Ganzen zusammengefügt, hier veröffentlicht.

Vielleicht nicht unbedingt nur, weil sie sich wünschen, daß niemand so leidet, wie sie selbst; das scheint doch etwas komplizierter.

Leute, die selbst leiden, verstehen eher, was einen leiden macht; während Leute, die nicht oder wenig leiden, nur wenig oder auch gar nix kapieren.

Im Idealfall entsteht so eine Art auf Gegenseitigkeit beruhende Leidens- und Erkenntnisgemeinschaft; wobei der Hauptakzent auf Erkennen, auf Orientierung liegt. – Scheint mir ein wichtiges und viel zu wenig beachtetes Thema

Es gibt ja dieses

"Wer nie sein Brot mit Tränen aß; wer nie die kummervollen Nächte auf seinem Bette weinend saß, der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte"

Det iss wirklich so. Wer nicht leidet, der kapiert nix. Kann etwas herumgeisteln, erbauliche Reden über Geist halten; aber das iss alles nix.

Eigentlich ein armer Wicht; obwohl – ob arme Wichte oder nicht – die selbstgefällige, jeglicher Grundlage entbehrende Sicherheit der Satten einen zwischendurch ganz schön nerven kann.

Früher hatte ich große Probleme mit solchem Volks; inzwischen nicht mehr; wenn es sich machen läßt, laß ich sie machen; lästig wird es nur, wenn die Umstände einen nicht lassen, sie machen zu lassen

♦♦♦

Die Menschen leiden unterschiedlich, auf den verschiedensten Ebenen. Man kann, zum Beispiel, leiden, weil die Fußballmannschaft, der man grad anhängt, irgendein Spiel verloren hat, oder weil ein Baum vom Grundstück des Nachbarn seine Äste einen halben Meter in das Reich des eigenen Grundstücks hineinragen läßt. Auch das ist Leiden, reales Leiden, das auch zu allen möglichen Wirrnissen in den Lebensumständen führen kann, bis hin zu Mord und Totschlag und Selbstmord (hab irgendwo gelesen, daß ein Fußballfanatiker nach einem am Fernseher mitverfolgten von 'seiner' Mannschaft verlorenen Spiel den Fernseher kaputtschlug und sich aufhängte). Ich versteh, daß auch das Leiden ist, erkenne es an; aber ich könnte mich mit solchen Menschen nicht verständigen.

Dann gibt es Leiden unter der sozialen Situation, in der man steckt. Zum Beispiel: man kann nichts rechtes anfangen, weil man kein Geld hat, ist bewegungsunfähig und allem ausgeliefert. Solches schafft ganz reales, bis zu Verzweiflungsanfällen gehendes Leiden, das einen so lähmen kann, daß von einem "Erkennen durch Leiden" keine Rede mehr sein kann. Man ist einfach nur dumpf und verzweifelt.

Ich kann das so beschreiben, weil ich es selbst durchgemacht habe. Dinge, die ich hätte tun sollen und die teilweise auch für andere von Vorteil gewesen wären, blieben ungetan. Wenn man eine solche Situation überstanden hat, kann man auch andere verstehen, die drin stecken. Und kann entsprechend verständnisvoll mit Menschen, die sowas durchmachen, umgehen. Allerdings kann man es auch verstehen, wenn man es selbst nicht durchgemacht hat. Zum Beispiel ein Freund, der von Haus aus recht begütert ist und entsprechend eine solche Situation aus eigenem Erleben nicht kennt, hat dann begonnen, über Jahre hinweg mir und verschiedenen Leuten aus meiner Umgebung eine Art "bedingungsloses Grundeinkommen" zu gewähren, damit man leben und handeln kann. Er hatte diese Machlosigkeit nicht selbst durchgemacht; aber er hatte die Fähigkeit, sich einzudenken, einzufühlen, und verstand – nicht abstrakt, sondern lebendig – daß man ohne Finanz rein gar nichts tun kann und aufgeschmissen ist.

Zwischendurch hatte auch ich selbst verhältnismäßig viel Geld; und da unserem begüterten Freund die Mittel knapp wurden, mußte ich selbst Leuten aus meinem Umfeld, die am Absacken waren, finanzielle Hilfe leisten. Ich tat das mit der allergrößten Selbstverständlichkeit: weil ich aus eigener Erfahrung wußte, daß die Betreffenden sonst handlungsunfähig werden.

***

Daneben gibt es aber auch Leute, die solche Situation weder aus eigenem Erleben kennen, noch sich lebendig einfühlen und eindenken können; die aber theoretisch sehr beschlagen sind und einem mit Sonntagspredigten und abstrakten Ratschlägen auf die Pelle rücken und, weil man trotz ihrer Sonntagspredigten nicht auf die Beine kommt, einen verachten. Mit solchen Leuten hatte ich im Laufe der Jahre viel zu tun und nahm sie immer weniger ernst.

Natürlich: auch sie leiden. Zum Beispiel wenn sie das Gefühl haben, daß jemand ihre Sonntagspredigten zu wenig schätzt und nicht versteht, wie wichtig sie sind. Auch das Leiden durch gekränkte Eitelkeit ist Leiden; ganz klar; aber keines, das einen selbst und die Umgebung weiterbringt.

***

Dann das reale Bemühen, sich in der Welt zurechtzufinden, zu unterscheiden, was "Sache" ist und was nicht "Sache" ist. Wenn man real drinsteckt – ein einziger Leidensweg.

Auch hier gibt es Leute – ich hatte zur Genüge mit ihnen zu tun – die es schaffen, diesen Weg nicht zu gehen, sondern einfach darüber theoretisieren, und die sich dabei sehr gut vorkommen. Die vielleicht sogar, weil sie es irgendwo gelesen haben, mit großem Pathos in ihren Sonntagspredigten verkünden, daß Erkennen mit Leiden verbunden ist. Ohne es selbst zu kennen.

Auch die können, so lange man das nicht durchschaut hat, nerven. Wenn man aufhört, ihre wörterreiche Armseligkeit ernstzunehmen, hören sie auf einen zu nerven; und gelegentlich hat man sogar Mitleid mit ihnen.

Sonntagspredigten finden ja nicht nur in der Kirche statt und werden nicht nur von Pfarrern gehalten. Es ist eine Art des – manchmal recht klug, sogar akademisch klingenden – belanglosen Theoretisierens und Ratschlägeverteilens. Das verstehe ich unter Sonntagspredigt.

***

Der Bekannte, der mich und verschiedene andere Leute über Jahre hinweg mit "bedingungslosem Grundeinkommen" versorgte, hat ganz gewiß kein abgeschlossenes Weltbild; sogar hat er eine klare Abneigung gegen alle Welterretterei. Und von "Egoismus" kann man in dem Fall höchstens insofern reden, als er ungeniert das tat, was er selbst als richtig empfand, ohne sich um irgendwelche von irgendwelchen Weltbildern oder Ideologien ausgehende "Verpflichtungen" zu kümmern.

Aber eben ein solcher "Egoismus", der sich nicht scheut, das Tun an der eigenen Einsicht auszurichten und nicht an irgendwelchen abstrakten "Pflichten", ist gar sehr vonnöten.

♦♦♦

Dies mal, so kurz als möglich. Es ist schwierig, das in aller Kürze zu behandeln, weil es ein sehr zentrales und als solches trotzdem kaum bewußtes Problem ist.

So isses.

четверг, 24 апреля 2014 г.

Schlippenkrapp

Some gnome

Schlippenkrapp

♦♦♦

Zufällig stieß ich beim Sichten meiner Notizen auf den Anfang einer Biographie von Schlippenkrapp.

Ich habe Schlippenkrapp nie getroffen; kenn ihn gar nicht; so daß ich nicht beurteilen kann, ob das so richtig ist, wie ich es geschrieben habe.

Vielleicht stimmt das alles gar nicht.

Und wenn es stimmen würde, so wäre es erst recht verantwortungslos, sowas zu schreiben.

Auf die Schnelle schrieb ich dann in Gedichtform eine alternative Schlippenkrapp-Biographie und beschloß, dieses Thema nunmehr für alle Zeiten ad acta zu legen.

Denn außer Schlippenkrapp gibt es zweifellos genügend andere Leute, deren Biographie zu schreiben sich lohnt.

***

Nachfolgend denn die gedichtete alternative Schlippenkrapp-Biographie:

♣♣♣

Schlippenkrapp,

aus Unterpöstel,

der dann nach Muggenhausen sich verzog,

weil Unterpöstel keine Kneipe hatte,

und weil in Muggenhausen auch die Rosi lebte,

***

zog weiter dann nach Glimmerglatt

weil dort die Sonne heißer schien

und weil er auch an diesem Ort

sich mit der Wilma treffen konnte.

***

Und wie er dann

von Glimmerglatt nach Rontentoffel sich entfernte,

weil Wilmas Mann ihm mit Vergeltung drohte,

da fiel er unterwegs ins Wasser

und ertrank.

***

суббота, 29 марта 2014 г.

Von Marsmenschen und langen Sätzen

Володя и Ксюша с марианином - Wladimir und Xenja mit Marsmensch

Xjuscha und Wolodja mit Marsmensch

♠♠♠

Mich erholend von all der Übersetzerei fremder Belletristik und dem Besprechen der auch ohne mich still dahinfließenden Alltagsabsurdität guckte ich mal wieder hinein in die Unmengen eigener seit Monaten der Ausarbeitung harrender deutscher Belletristik-Texte; und wie erfreut war ich, als ich gleich zu Anfang auf eine Skizze stieß, darin Marsmenschen vorkommen.

Denn ich liebe Marsmenschen.

Und in so herrlich langen verschachtelten Sätzen ist das alles geschrieben; ein fast schon esoterisches, geheimwissenschaftliches Verfahren, welches den in langen Sätzen wie in Labyrinthen hilflos sich Verirrenden ohne jede weitere Maßnahmen auf ganz natürliche Weise den Zutritt zum Inhalte verwehret und nur den Würdigen ungehindert Zutritt gestattet.

Procul este profani!

Die ersten Absätze einer dieser sich über zahllose Seiten dahinerstreckender Erzählungen, darin es sowohl von Marsmenschen als auch von langen Sätzen wimmelt, sei wiedergegeben:

Am Fuße des hoch aufragenden Tafelbergs der Toten Helden, dessen granitenen Untergrund sie in jahrhundertelangem Mühen mit ihren dahinströmenden Wellen vergeblich anzunagen suchte, nähert sich die Risl, von Westen kommend, bis auf 27,7 Kilometer den Grenzen der Stadt Hirbenhut, um sich dann, gleichsam beleidigt, in schroffer Wendung gen Norden von ihr abzuwenden. Und obwohl die in 27,7 Kilometer entfernt vorbeifließende Risl der einzige Fluß weit und breit ist, obwohl sich zwischen der Risl und Hirbenhut über endlose Meilen hin die Toten Helden erstrecken und obwohl Hirbenhut auf einer malerischen Anhöhe gelegen ist – war in den Dienstvorschriften, die General Mrüggel, Polizeipräsident von Hirbenhut, seit zweieinhalb Stunden Band für Band durchstudierte, auf das genaueste angegeben, was er sowie die ihm unterstellten Ordnungskräfte im Falle einer Überschwemmung für Maßnahmen zu ergreifen haben.

Nun liegt der Mars natürlich sehr viel weiter entfernt von Hirbenhut als die Risl; doch da die Unwahrscheinlichkeit einer von letzterer ausgehenden Überschwemmung höchstens um eine unerhebliche Winzigkeit geringer ist als die Unwahrscheinlichkeit einer vom Mars ausgehenden Invasion, konnte General Mrüggel nicht verstehen, warum man nicht auch einen Überfall von Marsmenschen in den Dienstvorschriften berücksichtigt hat.

Und da ein solcher Überfall nicht berücksichtigt war, wußte Mrüggel nun, da die ihm anvertraute Stadt durch ein Heer in der Nacht zuvor gelandeter Marsmenschen besetzt war, nicht, was er tun soll.

Hauptmann Plommwein, Mrüggels Adjutant, meinte zwar, daß selbst die Berücksichtigung einer Marsmenscheninvasion in den Dienstvorschriften in vorliegendem Falle nicht viel helfen würde, da ja keinerlei Gewähr bestehe, daß jene merkwürdig aussehende Wesen vom Mars kommen und somit als Marsmenschen zu betrachten sind; doch Mrüggel fand solches Argument nicht stichhaltig, da man bis zur endgültigen Klärung der Identität davon auszugehen dürfe, daß man es mit Marsmenschen zu tun hat; und selbst wenn sich anschließend herausstellen sollte, daß es sich bloß um marsmenschenähnliche Wesen gehandelt hat, so hätte man immerhin nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt; und Handeln schien in vorliegendem Falle durchaus angebracht.

Doch da die Marsmenschen in den Dienstvorschriften nicht berücksichtigt waren, brachten solche Erwägungen die Sache keinen Schritt weiter.

Das gemeinsame Bemühen um eine Lösung wurde durch das Eintreffen zweier Marsmenschen unterbrochen. Die Marsmenschen sahen fast aus wie Erdenmenschen; nur daß sie grün waren und keine Haare auf dem Kopf hatten. Letzteres findet man zwar auch unter Erdenmenschen; aber grün sind die Erdenmenschen nicht. Der eine trug eine mit Orden behangene Uniformjacke und dunkle Hosen mit breiten roten Streifen an den Seiten; der zweite trug Jeans und einen Rollkragenpullover.

Der Marsmensch, der Jeans trug und einen Rollkragenpullover, stellte sich in reinstem Hochdeutsch als Dolmetscher vor, und sein Begleiter sei Admiral Schlöppel, Oberkommandierender der zwecks Erforschung des Erdenplaneten losgeschickten Marsflotte.

Sie kamen also tatsächlich vom Mars.

Admiral Schlöppel sagte „Plöschel-plöschel brammbumm dabiboppe,“ und dann noch vieles andere mehr, und der Dolmetscher übersetzte: „Die Vertreter der Marsbevölkerung begrüßen die Vertreter des Erdenvolkes und sprechen ihre Anerkennung dafür aus, daß man sie bei der Landung und den im Anschluß ausgeübten Tätigkeiten nicht störte.“

General Mrüggel antwortete, daß es ihm eine Ehre ist, die Herrschaften nicht gestört zu haben und daß er auf ein weiteres friedliches Miteinander hofft.

Denn er konnte ihnen ja nicht sagen, daß er sie nur aus dem Grunde nicht gestört hatte, weil er in den Dienstvorschriften keinerlei Hinweis entdeckt hatte, auf welche Weise solches zu bewerkstelligen sei; und plötzlich durchzuckte ihn der Gedanke, daß das Fehlen des gesuchten Hinweises zu seinen Gunsten ist, da sie unübersehbar stärker sind als die Verfasser seiner Dienstvorschriften und daß er sich durch Störmanöver nur unnötige Scherereien bereitet hätte.

Admiral Schlöppel ließ ausrichten, daß auch er an einem weiteren friedlichen Miteinander interessiert ist; und dann fragte er, unter dem Hinweis, daß seine Mannschaft für andere Belange im Einsatz ist, ob die von Mrüggel kommandierten Ordnungskräfte nicht verwendet werden können zur Bewachung verschiedener wissenschaftlicher Untersuchungsobjekte, die sie in ihr Gewahrsam genommen haben, sowie zum Einfangen weiterer Untersuchungsobjekte.

In General Mrüggel löste diese Forderung Beunruhigung aus.

♦♦♦

Und so weiter und so fort

So isses

четверг, 16 января 2014 г.

Gewohnheitsmäßiges

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(Ehemaliger Lastwagen, fotografiert vom Fahrersitz eines ehemaligen Busses)

Einer dieser wie Pilze aus dem Boden wachsenden Coacher teilte mir per E-Mail mit, daß man bei ihm lernen kann, "Gewohnheiten dauerhaft zu verändern und neue Erfolge zu erzielen".

Der gute Mann übersieht bloß, daß veränderte Gewohnheiten immer noch Gewohnheiten sind.

Ich aber möchte den Gewohnheiten verbieten, mein Leben zu regeln und es in ihre Bahnen zu zwängen. Geistesgegenwärtiges Erfassen des Moments möchte ich lernen und situationsgerechtes Handeln. Gewohnheiten stören da nur.

Da aber permanente Geistesgegenwart nicht so leicht zu erreichen ist, können Gewohnheiten nützliche Überbrückungshilfen sein; aber nur, wenn man sie unter strenger Aufsicht hält.

In vorliegendem Fall, zum Beispiel, reagierte ich, rein gewohnheitsmäßig, allergisch auf die Floskel "Erfolge erzielen". Schaute nur kurz hin und löschte.

Hätte ich beim Hinschauen festgestellt, daß das kein Coacher ist, der mir irgendein hundertprozentig wirksames Rezept zum erfolgsgesättigten Leben verkaufen will, sondern irgendein Unglücklicher, der mit ungeschickten Worten versucht mir zu erklären, was ihm auf der Seele brennt – so hätte ich jene Gewohnheit beiseitegeschoben und ihr gesagt, sie soll gefälligst schweigen. Im Weiteren hätte ich dann versucht, zu ergründen, was der Betreffende denn nu meint, und das gewohnheitsmäßig meine Allergie heraufbeschwörende "Erfolge erzielen" hätte mich weiter nicht mehr gestört.

Da ich aber sah, daß es nur einer dieser Coacher ist mit einem dieser hundertprozentig wirksamen Erfolgsrezepte – beließ ich die Gewohnheit in ihrem Rechte und drückte die Löschtaste.

So isses.

среда, 8 января 2014 г.

Morgengedanken

Spatz-

(Warum ausgerechnet dieses Bild? - Keine Ahnung)

Als ich heute früh an meinen Schreibtisch kam, da fiel mein Blick auf eine Notiz:

Riecki roxt entlaufener Winkelmesser Tinte

Ach ja. Ich entsinne mich. Eine zu nächtlicher Stunde komponierte Lautkomposition mit Anflug von rätselhaftem semantischem Inhalt. Stand sogar extra auf, um es niederzuschreiben. Hätte ich es nicht niedergeschrieben, so hätte ich es vergessen.

Wie alles, was ich schreibe – außer den Sachen, die völlig uninteressant sind und aus denen man beim besten Willen nichts Sinnvolles herausentwickeln könnte – nicht uninteressant und durchaus entwicklungsfähig.

Manchmal veröffentliche ich solchen skizzenhaften Unsinn in Facebook. Oder bitte meinen Freund Ernst Tirckl-Wolff, es zu veröffentlichen.

Außer zu Zeiten, wo ich unter akuter Facebook-Allergie leide.

Zur Zeit leide ich.

Wäre ich ein berühmter Schriftsteller, so würde ich es mit großem Pomp irgendwo veröffentlichen, und die Literatursnobs würden es mit vor Ernst erstarrten Mienen zitieren.

Das wäre ein Gaudi!

Wenn man berühmt ist, hat man ganz andere Möglichkeiten, sich über die Leute lustig zu machen. Schade, daß die heutigen Berühmtheiten alle so phantasielos sind. – Nun, Kunststück, sie sind Produkte derjenigen, über die sie sich eigentlich lustig machen sollten, und nehmen sich entsprechend auch selber tierisch ernst.

Wo waren wir stehengeblieben?

Ach so.

Ja.

Zwischendurch nervt mich all dieses Geschreibe. Aber trotzdem kann ich es nicht lassen.

Am meisten nerven mich zur Zeit verschiedene Sachen, die schon fertig sind und veröffentlicht. Sie sind allesamt, wie ich nicht leugne, nicht einmal schlecht und durchaus lesbar; aber sie nerven mich trotzdem. Mit all diesem Zeugs ist auf idiotischste Weise einiges schiefgelaufen; und ich muß mich nun drum kümmern.

Aber ich habe keine Lust, mich darum zu kümmern.

Nicht die geringste.

Muß ich aber.

Verschieb es auf die Zeit nach dem Julianischen Neujahrsfest.

Richtig.

Selbst leb ich zur Zeit in einer gemischt gregorianisch-julianischen Region; und die treuesten meiner Bundesgenossen leben fast alle im Einzugsbereich des julianischen Kalenders.

Das Julianische Silvester ist in der Nacht vom 13. auf den 14.

Runden wir auf auf den 15. und beginnen ab da, gestärkt durch sich gegenseitig stützende gregorianisch-julianische gute Vorsätze, ein ernsthaftes Leben.

So isses.