Eine Assoziationskette
Die Kirche jenes
Ortes, in welchem aufzuwachsen mir beschieden war.
Geknipset bei einem Besuch
dortselbst
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Beim Herumsuchen in älteren Aufzeichnungen stieß ich auf eine tagebuchähnliche Notiz, die zwar mit dem, was ich suchte, nix zu tun hatte, die aber trotzdem spontan mein Interesse weckte.
Ja. Nicht uninteressant.
Und so überführte ich denn die wirre Mischung aus Deutsch und Russisch in ein anständiges Deutsch und veröffentliche das nun in diesem halbvergessenen Blog.
Also:
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Vorm Aufstehen las
ich in Solschenizyns "Oktober 16", wie Lenin frühmorgens durch Zürich
spazierte. Orte wurden beschrieben, an denen ich auch selbst schon war und an die
ich mich dunkel erinnerte…
Und dann erinnerte
ich mich plötzlich an X, den von niemandem für voll genommenen Hilfsarbeiter,
der anfangs im Dachdeckerbetrieb meines Vaters arbeitete, und später, als der
Betrieb von der Firma XYZ übernommen wurde, weiterhin unter der Oberaufsicht
meines Vaters bei ebenjener Firma XYZ.
Die Assoziationskette
von Lenins Morgenspaziergang in Zürich bis hin zu dem Hilfsarbeiter X war
folgende:
Lenin steht in
Zürich vor dem Zwingli-Denkmal und stellt irgendwelche Überlegungen an.
Dabei erinnerte
ich mich an ein paar Zeilen in einem Religionslehrbuch aus der Gymnasium-Zeit, wo
der Name Zwingli in einer Auflistung katholizismusfeindlicher Bösewichter
figurierte. Viel wusste ich nicht von ihm; aber irgendwann erwähnte ich ihn in
einem Gespräch "zu Hause" bei meinen Eltern. In welchem Zusammenhang
ich ihn erwähnte, weiß ich nicht mehr; möglicherweise mit einem gewissen
sympathisierenden Unterton (da in diesen Jahren, wo mir der Katholizismus als
Unterdrückungsfaktor bewusst wurde, so ziemlich alles sympathisch war, was sich
mit ihm anlegte).
Meine Eltern
wussten auch nicht, wer Zwingli war, aber da er sich mit der bestehenden Macht
angelegt hatte, wurde er achtlos beiseitegewischt. Und was sollte meine Eltern
auch eine Ahnung haben, wer Zwingli war, da sie sich für restlos gar nichts
interessierten, was außerhalb ihres engen Horizonts lag.
Auch daß es mir
dreckig geht und daß ich bei ihnen wie ein Fremder unter Fremden lebte
verstanden sie nicht.
Und dann
erinnerte ich mich an X, den von niemandem ernstgenommenen Hilfsarbeiter. Zusammen
mit dem kraxelte ich gut zehn Jahre nach jenem "Gespräch" über
Zwingli, als gleichfalls von niemandem erstgenommener Hilfsarbeiter, auf luxemburgischen
Dächern herum. Zwei oder drei Monate lang machte ich das.
An ein Gespräch
mit ihm erinnerte ich mich: Er meinte, ich müsse schleunigst mit dieser Arbeit
aufhören und wieder mit Taubblinden arbeiten (vorher hatte ich mich zeitweise,
nicht ohne Erfolg, in solcher Tätigkeit geübt und hatte ihm davon erzählt). Er
merke, daß diese Arbeit auf den Dächern nicht das ist, was ich brauche und daß sie
mich fertigmacht.
Er verstand das.
Als einziger in meiner damaligen Umgebung. Er, mit dem ich mich nur die Woche
über beim Herumkraxeln auf Dächern traf und mit dem ich sonst nix zu tun hatte.
Man sagte von ihm, er sei dumm.
Und nun dachte
ich: was aus ihm wohl worden wäre, wenn er sich in einer
entwicklungsfreundlicheren Umgebung hätte bewegen können? Ich konnte mich,
allen Widerständen zum Trotz, bis zu einem gewissen Grad herauswurschteln.
Er wohl kaum.
♣♣♣
So isses