(unter diesem Titel veröffentlichte ich, wie mir einfällt, vor vielen Jahren meinen allerersten, unter vielen Mühen zustandegekommenen Zeitschriftenaufsatz: ein allererstes anfängliches Sichhineintasten in die Bewußtmachung einer Thematik, in der ich mich inzwischen ohne die damaligen Mühen schon viel besser orientiere und der auch dieser Beitrag gewidmet ist)
Wieso ausgerechnet dieses Bildnis? - Keine Ahnung.
Aber der erstaunt dreinblickende Marsmensch in der Mitte gefällt mir gar sehr.
Beim Überfliegen von Facebook fiel mein Blick auf eine dieser typischen sentimentalen Facebook-Textgraphiken, die ich normalerweise unbeachtet links liegen lasse. Vielleicht, weil das Ding von einer Bekannten veröffentlicht war, die normalerweise durch Humor und klare Sachlichkeit auffällt, und die es vielleicht auch nur deswegen veröffentlicht oder – wie das auf facebookianisch heißt: geteilt – hatte, weil der Inhalt sie angesprochen hatte.
Der Text lautete:
"Die einsamsten Menschen sind die freundlichsten. Die traurigsten Menschen lächeln am schönsten. Die Menschen mit den größten Problemen sind am verständnisvollsten. All das, weil sie sich wünschen, daß niemand so leidet wie sie selbst."
Natürlich reinstes Schmalz; und die im letzten Satz Verallgemeinerte kann man sowieso nicht leichthin verallgemeinern (zum Beispiel erinnere ich mich an zwei Leute aus meinem Bekanntenkreis, die – nicht, weil sie von ihren Fähigkeiten her in die normale Schule nicht reingepaßt hätten, sondern weil sie aus sogenannten 'asozialen Verhältnissen' stammten – auf der Sonderschule landeten und insgesamt eine vermurxte Jugend hatten. Beide hatten sich hochgearbeitet und waren in sozialen Berufen tätig. Wobei der eine nach Kräften bemüht war, den Leuten aus seinem Umfeld das, was er selbst durchgemacht hatte, zu ersparen, und der andere: sich an aller Welt für das erlittene Ungemach zu rächen); die Menschen sind nun mal, in Freud wie im Leid, verschieden.
Wie dem auch sei:
Das Thema erweckte spontan mein Interesse, und ich tippte einen kurzen Kommentar; im weiteren gab es ein leichtes Hin und Her, das mich zu weiteren Ausführungen anregte; und diese Ausführungen seien nun, unwesentlich überarbeitet und zu einem mehr oder weniger einheitlichen Ganzen zusammengefügt, hier veröffentlicht.
Vielleicht nicht unbedingt nur, weil sie sich wünschen, daß niemand so leidet, wie sie selbst; das scheint doch etwas komplizierter.
Leute, die selbst leiden, verstehen eher, was einen leiden macht; während Leute, die nicht oder wenig leiden, nur wenig oder auch gar nix kapieren.
Im Idealfall entsteht so eine Art auf Gegenseitigkeit beruhende Leidens- und Erkenntnisgemeinschaft; wobei der Hauptakzent auf Erkennen, auf Orientierung liegt. – Scheint mir ein wichtiges und viel zu wenig beachtetes Thema
Es gibt ja dieses
"Wer nie sein Brot mit Tränen aß; wer nie die kummervollen Nächte auf seinem Bette weinend saß, der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte"
Det iss wirklich so. Wer nicht leidet, der kapiert nix. Kann etwas herumgeisteln, erbauliche Reden über Geist halten; aber das iss alles nix.
Eigentlich ein armer Wicht; obwohl – ob arme Wichte oder nicht – die selbstgefällige, jeglicher Grundlage entbehrende Sicherheit der Satten einen zwischendurch ganz schön nerven kann.
Früher hatte ich große Probleme mit solchem Volks; inzwischen nicht mehr; wenn es sich machen läßt, laß ich sie machen; lästig wird es nur, wenn die Umstände einen nicht lassen, sie machen zu lassen
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Die Menschen leiden unterschiedlich, auf den verschiedensten Ebenen. Man kann, zum Beispiel, leiden, weil die Fußballmannschaft, der man grad anhängt, irgendein Spiel verloren hat, oder weil ein Baum vom Grundstück des Nachbarn seine Äste einen halben Meter in das Reich des eigenen Grundstücks hineinragen läßt. Auch das ist Leiden, reales Leiden, das auch zu allen möglichen Wirrnissen in den Lebensumständen führen kann, bis hin zu Mord und Totschlag und Selbstmord (hab irgendwo gelesen, daß ein Fußballfanatiker nach einem am Fernseher mitverfolgten von 'seiner' Mannschaft verlorenen Spiel den Fernseher kaputtschlug und sich aufhängte). Ich versteh, daß auch das Leiden ist, erkenne es an; aber ich könnte mich mit solchen Menschen nicht verständigen.
Dann gibt es Leiden unter der sozialen Situation, in der man steckt. Zum Beispiel: man kann nichts rechtes anfangen, weil man kein Geld hat, ist bewegungsunfähig und allem ausgeliefert. Solches schafft ganz reales, bis zu Verzweiflungsanfällen gehendes Leiden, das einen so lähmen kann, daß von einem "Erkennen durch Leiden" keine Rede mehr sein kann. Man ist einfach nur dumpf und verzweifelt.
Ich kann das so beschreiben, weil ich es selbst durchgemacht habe. Dinge, die ich hätte tun sollen und die teilweise auch für andere von Vorteil gewesen wären, blieben ungetan. Wenn man eine solche Situation überstanden hat, kann man auch andere verstehen, die drin stecken. Und kann entsprechend verständnisvoll mit Menschen, die sowas durchmachen, umgehen. Allerdings kann man es auch verstehen, wenn man es selbst nicht durchgemacht hat. Zum Beispiel ein Freund, der von Haus aus recht begütert ist und entsprechend eine solche Situation aus eigenem Erleben nicht kennt, hat dann begonnen, über Jahre hinweg mir und verschiedenen Leuten aus meiner Umgebung eine Art "bedingungsloses Grundeinkommen" zu gewähren, damit man leben und handeln kann. Er hatte diese Machlosigkeit nicht selbst durchgemacht; aber er hatte die Fähigkeit, sich einzudenken, einzufühlen, und verstand – nicht abstrakt, sondern lebendig – daß man ohne Finanz rein gar nichts tun kann und aufgeschmissen ist.
Zwischendurch hatte auch ich selbst verhältnismäßig viel Geld; und da unserem begüterten Freund die Mittel knapp wurden, mußte ich selbst Leuten aus meinem Umfeld, die am Absacken waren, finanzielle Hilfe leisten. Ich tat das mit der allergrößten Selbstverständlichkeit: weil ich aus eigener Erfahrung wußte, daß die Betreffenden sonst handlungsunfähig werden.
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Daneben gibt es aber auch Leute, die solche Situation weder aus eigenem Erleben kennen, noch sich lebendig einfühlen und eindenken können; die aber theoretisch sehr beschlagen sind und einem mit Sonntagspredigten und abstrakten Ratschlägen auf die Pelle rücken und, weil man trotz ihrer Sonntagspredigten nicht auf die Beine kommt, einen verachten. Mit solchen Leuten hatte ich im Laufe der Jahre viel zu tun und nahm sie immer weniger ernst.
Natürlich: auch sie leiden. Zum Beispiel wenn sie das Gefühl haben, daß jemand ihre Sonntagspredigten zu wenig schätzt und nicht versteht, wie wichtig sie sind. Auch das Leiden durch gekränkte Eitelkeit ist Leiden; ganz klar; aber keines, das einen selbst und die Umgebung weiterbringt.
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Dann das reale Bemühen, sich in der Welt zurechtzufinden, zu unterscheiden, was "Sache" ist und was nicht "Sache" ist. Wenn man real drinsteckt – ein einziger Leidensweg.
Auch hier gibt es Leute – ich hatte zur Genüge mit ihnen zu tun – die es schaffen, diesen Weg nicht zu gehen, sondern einfach darüber theoretisieren, und die sich dabei sehr gut vorkommen. Die vielleicht sogar, weil sie es irgendwo gelesen haben, mit großem Pathos in ihren Sonntagspredigten verkünden, daß Erkennen mit Leiden verbunden ist. Ohne es selbst zu kennen.
Auch die können, so lange man das nicht durchschaut hat, nerven. Wenn man aufhört, ihre wörterreiche Armseligkeit ernstzunehmen, hören sie auf einen zu nerven; und gelegentlich hat man sogar Mitleid mit ihnen.
Sonntagspredigten finden ja nicht nur in der Kirche statt und werden nicht nur von Pfarrern gehalten. Es ist eine Art des – manchmal recht klug, sogar akademisch klingenden – belanglosen Theoretisierens und Ratschlägeverteilens. Das verstehe ich unter Sonntagspredigt.
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Der Bekannte, der mich und verschiedene andere Leute über Jahre hinweg mit "bedingungslosem Grundeinkommen" versorgte, hat ganz gewiß kein abgeschlossenes Weltbild; sogar hat er eine klare Abneigung gegen alle Welterretterei. Und von "Egoismus" kann man in dem Fall höchstens insofern reden, als er ungeniert das tat, was er selbst als richtig empfand, ohne sich um irgendwelche von irgendwelchen Weltbildern oder Ideologien ausgehende "Verpflichtungen" zu kümmern.
Aber eben ein solcher "Egoismus", der sich nicht scheut, das Tun an der eigenen Einsicht auszurichten und nicht an irgendwelchen abstrakten "Pflichten", ist gar sehr vonnöten.
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Dies mal, so kurz als möglich. Es ist schwierig, das in aller Kürze zu behandeln, weil es ein sehr zentrales und als solches trotzdem kaum bewußtes Problem ist.
So isses.
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