среда, 24 февраля 2016 г.

Skizze zu einer theoretischen Ästhetik der Verzweiflungstaten



Den unerwarteten Anstoß zu dieser Skizze gab ein Artikel in der „Prawda“ (russischer Originalartikel siehe hier), den ich in deutscher Zusammenfassung in einer Facebook-Gruppe mit dem Namen „Verrückte Gruppe grenzenlos“ veröffentlichte.

Der deutsche Text:
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Es geht da um eine junge Russin, die im Urlaub einen jungen Tschechen kennengelernt hatte; und die beiden gewannen sich so sehr lieb, daß sie heirateten. Die junge Russin zog zu ihrem Angetrauten in die Tschechei; und im Weiteren ergab sich dann, daß sie einen verhängnisvollen Irrtum begangen hatte. Nämlich erwies ihr Angetrauter sich als grober Tyrann, der ihr, zum Beispiel, verbot, russische Nationalspeisen zu essen und nur tschechische Gerichte erlaubte; und den Kontakt mit ihren russischen Freundinnen mußte sie abbrechen. Russische Musik war verboten; als ihr Mann sie beim Anhören ihrer russischen Lieblingssängerin erwischte, gab es eine Ohrfeige, und er spuckte ihr ins Gesicht.


Schließlich wurde es ihr zuviel, und sie beschloß, Rache zu nehmen. Als der Bruder und der Vater ihres Mannes zu Besuch kamen, machte sie die ganze Gesellschaft stockbetrunken: sie bewirtete sie mit einem selbstgemixten Cocktail aus Bier, Slivowitz, Clonidin und Viagra. Nach ausgiebigem Konsum waren die Männer bewußtlos, aber dank der Spezifik der Mischung physisch paarungsfähig. Die junge Frau vergewaltigte sie der Reihe nach und nahm den gesamten Prozeß mit einer Videokamera auf.

Etwas später führte sie dieses pornographische Material auf der Hochzeit ihres Schwagers vor; aus welchem Grunde die vorgesehene Ehe nicht zustandekam.

(für diesen Streich drohen ihr in der Tschechei bis zu zehn Jahre Haft)
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Im Russischen Artikel wurde diese Tat als „Rache“ („месть“) interpretiert; eine Sichtweise, die ich zunächst gedankenlos übernommen hatte, um dann im Laufe der weiteren Erörterung einzusehen, daß die Sache sich etwas komplizierter verhält.


Angeregt wurde diese gedankliche Entwicklung interessanterweise durch die Diskussion mit einem Menschen, der überhaupt nicht verstand, was ich meinte und der eben in seinem Nichtverstehen half, den Grundstein zu legen zu einer noch zu schreibenden, wennauch nie geschrieben werdenden theoretischen Ästhetik der Verzweiflungstaten.


Im Weiteren die einzelnen Stationen jener gedanklichen Entwicklung: 

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Rache ist immer ein Ausfluß von Schwäche; doch nicht jeder ist stark genug, rachelos seinen Weg zu gehen. Und die Betreffende steckte tatsächlich ganz arg in der Klemme. Gewaltbereites stumpfsinnig-bürgerliches Milieu, in welches sie da hineingerasselt war, wo sie hilflos feststeckte und erniedrigt wurde. Nicht so einfach, da einen konstruktiven Ausweg zu schaffen. Aber ihre Rache ist hochoriginell. Die Frau hat Phantasie und den Mut, sie zu verwirklichen. Kann noch was aus ihr werden.


***


Sexuelle Gewalt ist das nur rein äußerlich. Real läge solche vor, wenn aus Triebhaftigkeit, aus Vergnügungssucht ein Mensch gegen seinen Willen zum Lustgewinn benutzt wird. Aber darum ging es der Betreffenden ja gar nicht; sie hatte ganz anderes im Sinn, und allfälliger Lustgewinn wäre höchstens als unwichtiges Nebenprodukt angefallen. 

Sie steckte in einer verzweifelten Klemme; und in ihrer Verzweiflung verfiel sie auf diese verrückte Idee, die sie dann auch ausführte. Irgendwas Lustiges, Spritziges ist da schon dran; auch wenn ich auf keinen Fall zur Nachahmung aufrufen würde. In dieser Situation hat es eine gewisse Tragikomik. Wenn ein Mann in einer vergleichbaren Situation solches mit Frauen machen würde, fände ich es hinwiederum nicht im geringsten lustig.


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Ihren Mann würde ich auch nicht als kriminell bezeichnen. Einfach ein stumpfsinniger Spießer, der diese Frau, die ihn versehentlich geheiratet hat, zugrundrichtet. Auch der Mann treibt, auf seine Weise und nicht so handgreiflich, Mißbrauch. Wie weit sein Bruder und sein Vater diesen Mißbrauch mit stützten, weiß ich nicht; mag ja sein, daß die unschuldig da reingerasselt sind


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Vielleicht schreib ich noch eine halbernst gemeinte Abhandlung zur Ästhetik der Verzweiflungstaten


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Man nehme zum Beispiel die Verzweiflungstat des Hauptmanns von Köpenick, die ohne jeden sexuellen Gehalt ist und sich deshalb leichter unvoreingenommen betrachten läßt (obwohl grimmige Militaristen auch hier energisch protestieren werden, da ein hierzu nicht befugter eine Abteilung Soldaten in seine Gewalt brachte, um sie als Werkzeug für die Erzwingung einer durch die Obrigkeit nicht genehmigten Amtshandlung zu benutzen). 

Hilflos eingebunden in ein Geflecht aus unsinniger Gewaltanwendung – und zwar solcherart eingebunden, daß der gewaltsame Unsinn ihn aus dem als normal empfundenen unsinnsbestimmten Lebenszusammenhang hinausdrängt – ergreift er die Initiative und benutzt den Unsinn in seinem Sinne.
 

Doch sehr ästhetisch; oder? Der Bespiele gibt’s viele; es gilt nun, die entsprechende ästhetische Gesetzmäßigkeit herauszuarbeiten.


Es gibt viel zu tun; packen wir es an.


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Zum glorreichen lustigen Abschluß noch die abschließende Unterhaltung mit jenem Menschen, der an der Entstehung jenes Gedankenganges unfreiwillig beteiligt war. Nennen wir ihn Emil. In Wirklichkeit heißt er zwar nicht Emil; aber das iss egal. Die nebenbei noch auftauchende Anna heißt wirklich so.



Emil: So ein blöder Mensch!


Anna: Wen meinst du damit, Emil?

Raymond: Vermutlich meint er mich. Aber das macht nichts
 Anna: damit wäre ich aber nicht einverstanden!!!

Raymond: Daß er mich als blöden Menschen bezeichnet? Mich stört das nicht. Mit Menschen, die nicht verstehen, was ich meine, hab ich schon ganz andere Sachen erlebt. Find es manchmal noch ganz lustig. Hauptsache, ich versteh selbst, was ich meine, und ein paar andere verstehen es. Daß jemand sein Nichtverstehen verabsolutiert passiert häufig; daran kann man sich gewöhnen



Raymond: Also, Herr Emil: Ich schlag vor, Sie lesen noch einmal ganz gründlich durch, was ich im Laufe dieses Gesprächs verlauten ließ. Aus Ihren bisherigen Äußerungen konnte ich verstehen, daß Sie nicht verstehen, was ich meine. Man muß ja nicht alles verstehen; aber vielleicht verstehen Sie es nach nochmaligem aufmerksamem Durchlesen. Ich hab ja dann noch einiges, vielleicht in etwas flapsigem Tone, aber durchaus ernstgemeintes zusätzliches geschrieben. Auf weitere auf Nichtverstehen begründete Auslassungen würde ich nicht mehr eingehen.
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So isses


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