Obiges Denkmal wurde vor ein paar Jahren in Kischinau geknipst.
Das Denkmal, welches wir im unten wiedergegebenen Textauszug kennenlernen,
sieht ganz anders aus; aber obiges ist trotzdem auch ganz nett.
Vorbemerkung
Es gibt Momente, da weiß man nicht mehr, was man noch tun oder sagen könnte.
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Zu solchen Momenten verfasse ich, um nicht zu verzweifeln, sich dem wirren Alltagsblödsinn entgegenstemmenden Höheren Blödsinn oder mach mich ans Ausarbeiten dem Geiste des Höheren Blödsinns entwachsener umfassenderer Werke.
Nachfolgend sei der Anfang eines solchen umfassenderen Werkes wiedergegeben.
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Diese sehr lange und längst noch nicht fertige Erzählung (wenn sie fertig ist, wird sie sogar noch länger sein) spielt in der Steinzeit.
Die Steinzeit ist aktuell in unseren Tagen; denn der Weg zurück in die Steinzeit scheint vorgezeichnet: Danämlich der technische Fortschritt den kulturellen Fortschritt überholt und plattgedrückt hat; da die Menschheit die Kontrolle verloren hat über die ihre realen Bedürfnisse nicht berücksichtigende und wirre künstliche Bedürfnisse schaffende Technik, fällt sie in ihrer Entwicklung zurück und wird irgendwann – so sie sich bis dahin nicht ausgerottet hat – nicht mehr in der Lage sein, die Technik zu bedienen; vielleicht nicht einmal verstehen, wozu diesen runden Dinger, die man früher in der deutschen Sprache "Rad" nannte, gut sein könnten.
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Doch will ich keine Moralpredigten halten; denn ernsthaft zumute ist mir nicht im geringsten.
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Steinzeitkenner und Paläontologen werden mir nach Lektüre nachfolgenden Textstückes – so sie es lesen – entgegenhalten, daß es in der Steinzeit keine Brontosaurusse mehr gab und daß die Sauriere damals überhaupt längst ausgestorben waren.
Mir ist das egal. In meiner Steinzeit gibt es Brontosaurusse wieauch alle möglichen Riesen- und Zwergsaurier; ganz egal, was andere dazu sagen.
Tun wir heutzutage doch alle; oder? Irgendwo in irgendwelchen Zeitungen wird, zum Beispiel, dauernd von irgendwelchen bösen Russen geschrieben, die schießend irgendwo auftauchen; dann liest man wieder, daß da wohl doch keine bösen Russen waren; doch kurz darauf tauchen sie wieder anderswo auf; die realen Russen wundern sich und ich auch; aber letztendlich ist das normal; unsere Zeiten sind nun mal so, daß alles mögliche behauptet werden kann und daß sich immer genügend Volks findet, das es glaubt; und da unsere Zeiten nun mal so sind, gestatte ich es den Mammuts und Brontosaurussen, auf den Straßen meiner Steinzeit entlangzuhuschen.
Zur Sache kommend:
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Zu jenen wilden Zeiten, als in den Wäldern statt Tannen und Buchen Schachtelhalmbäume wuchsen und auf den Straßen keine Autos fuhren, sondern Mammuts und Brontosaurusse entlanghuschten, begab es sich, daß ein Saurier unbekannter Rasse und Herkunft eine Studentin der medizinischen Fakultät von der Straße auflas und davontrug.
Die Studentin hieß Rita, hatte schulterlanges rötliches Haar und reichte dem Saurier, der selbst von unbestimmter Farbe war, grad eben bis zu den Knöcheln. Als die langbekrallten Pranken sie packten, schrie sie kurz auf und ließ dann willig mit sich geschehen, was der Saurier mit ihr tat.
Der tat nicht viel, außer, daß er sie mit seinen Vorderpfoten festhielt und davontrug. Die Vorderpfoten waren so gewaltig, daß Ritas ganzer Körper darin verschwand; nur oben ragte der Kopf heraus, und unten die Füße. Und wer genau hinschaute, konnte sehen, daß ihr linker Schuh fehlte.
Nach Erreichen der Stadtgrenze eilte der Saurier im Laufschritt über die ausgedehnten Wiesen, auf denen der Bauer Krüggelmann seine Zwergsaurier weidete, zum Waldrand hin. Die Zwergsaurier stoben in wilder Panik auseinander vor dem heranrasenden Ungetüm, welches, ohne ihnen weiter Beachtung zu schenken, alsbald schon krachend im Gewirr der riesigen Schachtelhalmbäume verschwand.
Kurze Zeit später sah man ihn, ohne seine Beute. wieder am Waldesrand stehen. Eine Weile betrachtete er zerstreut die weidenden Zwergsaurier und spazierte dann gemächlichen Schrittes zurück in die Stadt bis hin zu dem Orte, wo er Rita gepackt hatte. Er hob ihren Schuh auf, der noch immer dort lag, wo sie ihn verloren hatte, verharrte einen Moment lang, als ob er nachdenke, und wandte sich dann unentschlossenen Schritts, den Schuh an einer Kralle seiner Linken aufgehängt, auf den Platz vor der Universität, wo er mit seiner freien Rechten eine weitere Studentin erhaschte. Die Studentin hieß Silvia, stieß, gleich Rita, einen überraschten Schrei aus und ließ dann gleichfalls willig alles mit sich geschehen.
Im Nu war der Platz menschenleer, und dafür bevölkerten sich die Fenster der umliegenden Häuser.
Sich interessiert nach allen Seiten umschauend strebte der Saurier zu dem Brunnen in der Mitte des Platzes, neben dem auf hohem Sockel, mit ausgestrecktem Arm dem Volke irgendwelche Wege zeigend, ein in Granit gehauener Geistesrecke stand. Vorsichtig hängte er Ritas Schuh an den nach vorne weisenden Zeigefinger des Denkmalhelden und tauchte dann Silvia ein in das Wasser des Brunnens.
"Du machst mich naß!" – rief Silvia.
Der Saurier ließ sie los und schaute interessiert zu, wie sie über die Brüstung aus dem Brunnen herauskraxelte. Und auch aus den Fenstern ringsum schaute man zu.
Schließlich stand sie triefend neben der Brunnenwand. Kurz blickte sie hoch, lächelte das Untier verschmitzt an und zog mit ein paar raschen Griffen ihr Kleid aus.
Aus einigen Fenstern ertönte Beifallklatschen. "Zieht sich vor aller Augen einfach aus!" rief eine empörte Frauenstimme. - "Laß sie doch!" antwortete ein männlicher Baß. Irgendjemand riet ihr, sie soll davonlaufen.
"Wieso davonlaufen?" – antwortete Silvia und begann, ihr Kleid auszuwringen. "Er ist schneller als ich; und wenn er was von mir will, so packt er mich; ganz egal, ob ich laufe oder stehe."
Aber der Saurier wollte offenbar nichts von ihr. Er zog Ritas Schuh von dem ausgestreckten Zeigefinger des Recken und trottete davon.
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So isses
Nachtrag
Ein Link zu obigem Beitrag wurde in Facebook veröffentlicht und führte zu erhellenden weiterführenden Diskussionen.
Manches von dem, was ich dabei an Ergänzendem vor mich hin tippte, war selbst für mich neu; weshalb es, unter Ausmerzung der Tippfehler und Verbesserung stilistischer Ausrutscher, im Nachfolgenden wiedergegeben sei:
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Ich vermute, daß die Steinzeitmenschen ihre Straßen bauten, damit die Mammuts und Brontosaurusse eben dort entlanghuschen und ihnen nicht in ihren Dörfern und Städten alles kaputt trampeln.
Später, als es keine Mammuts und Brontosaurusse mehr gab, begannen die Menschen, ihre Straßen selbst zu nutzen; und noch später, als das Auto erfunden war, teerten sie sie auch, damit die Autos nicht dauernd Plattfüße bekommen.
Wie sie es geschafft haben, die Mammute und Sauriere zur Benutzung jener Straßen zu bewegen, habe ich auch noch nicht richtig verstanden. Aber ich werde es verstehen müssen, da ich anders die Erzählung nicht in rechter Weise abrunden kann
Vielleicht liegt der Anreiz zu ihrer Benutzung bloß darin, daß es bequemer ist, auf geschlagenen Wegen dahinzurennen, als im Rennen dauernd mit Schachtelhalmbäumen zu kollidieren?
Könnte sein. Wär möglich.
Denn wozu sich durch Anrennen gegen Schachtelhalmbäume blaue Flecken holen?
Wenn ich als Brontosaurus Lust hätte, mich frei dahinzubewegen, so würde ich die von den Steinzeitmenschen für mich geschlagenen Wege benutzen; und wenn ich Lust hätte, Bäume zu fällen, so würde ich Bäume fällen.
Und auch sonst hat man ja als Saurier noch alles mögliche zu tun; langweilig wird einem nie. Zum Beispiel dieser eine Saurier, der die Rita raubt und die Silvia in den Brunnen steckt. Abwechslung gibt es genug.
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Der Saurier kam zurück, um den fallengelassenen Schuh aufzuheben, bloß verhedderte er sich dann in einigen zusätzlichen Aktivitäten. Nach einigem Hin und Her besann er sich und verstand, daß es nicht zu seinen Aufgaben gehört, Silvia in den Brunnen zu stecken.
So ließ er denn von ihr ab und verließ den Ort des unnötigen Geschehens.
Silvia beurteilt die Situation sehr nüchtern; ja nun, vielleicht noch mit einem leichten Schuß Masochismus. Im Prinzip hat sie ja Recht: wieso sollte sie durch unnötiges Davonlaufen alles noch komplizierter machen, als es eh schon ist, wenn der Saurier sie bei Bedarf so oder so einfangen wird?
Im Steinzeitdeutschen bezeichnete man mit dem Wort "Auto" jenes Wesen, das wir heute "Brontosaurus" nennen. Autobahnen gab es auch schon in der Steinzeit; nur dienten die dazu, die Brontosaurusse von den Städten und Dörfern der Steinzeitmenschen fernzuhalten. Später nahm das Wort "Auto" die Bedeutung an, die wir heute kennen; die Autobahnen wurden geteert, und seitdem huschen keine Brontosaurusse (auf Steinzeitdeutsch also: Autos) darauf herum, sondern fahren Autos in unserem heutigen Sinne.
ОтветитьУдалитьDas hatte ich nicht gewusst
ОтветитьУдалитьJetzt weißt du es
ОтветитьУдалитьJa
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